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Rezension: Nackter Mann, der brennt – Friedrich Ani

(c) Suhrkamp

 

Gebundene Ausgabe: 223 Seiten
Verlag: Suhrkamp Verlag
Erscheinungsdatum: 8. August 2016
ISBN-10: 3518425420
ISBN-13: 978-3518425428

Klappentext:

Im Alter von vierzehn Jahren flieht ein Junge aus dem süddeutschen Dorf Heiligsheim. Vierzig Jahre später kehrt er als Ludwig, »Luggi« Dragomir zurück: Alkohol, Drogen und alle gegen sich und die anderen ausgefochtenen Kriege in Berlin verhinderten nicht das ständige Wiederleben des Missbrauchs seiner Spielkameraden und seiner selbst durch die Honoratioren von Heiligsheim. Die Schuldgefühle, diese Jungen nicht beschützt zu haben, treiben ihn an: »Je mehr Zeit ich im Dorf verbrachte, desto mehr Kinder kamen zurück und scharten sich in meinem Kopf ums schwarze Brot der Erinnerung.«

Seit seiner Anwesenheit verschwinden gleich mehrere ältere Herren, einige werden tot aufgefunden – ob durch Unfall oder Mord, das versucht Kommissarin Anna Darko herauszufinden. Dabei gerät auch Ludwig ins Visier, da er ein Verhältnis hat mit der Ehefrau eines der Vermissten, den er als Gefangenen im eigenen Haus malträtiert. Denn in Ludwig Dragomir hatte Wut die Oberhand erlangt, und nun »durfte sie brennen«: »Da stand ich, am Rand der Nacht, zum Morden geboren, zum Sterben bereit und starb nicht und mordete noch lang nicht genug.«

Wie aus Opfern Täter werden, in welcher Weise dieser unaufhaltsame, alle Grenzen der Grausamkeit sprengende Prozess abläuft – dies erzählt Friedrich Ani, der Meister des Noir, einfühlsam, überraschend und bis ins kleinste Detail und auf eine Weise, die ihresgleichen nicht hat.

Inhalt:

Ludwig “Luggi” Dragomir, der eigentlich Coelestin heißt, kehrt getrieben von seinem Rachewunsch, seiner Wut und seinen Schuldgefühlen zurück in seinen Geburtsort.

Ani gelingt es in seinem Roman eindringlich und doch von der Sprache her subtil die Kindheit von “Luggi” und seinen Freunden darzustellen und aufzuzeigen, was sie in dem Dorf durchmachen mussten. Er zeigt, wie verschworen und verschwiegen die Gemeinde ist.

Schuldgefühle, weil er seinen ehemaligen Freunden nicht geholfen hat, treiben Ludwig an und er lässt seinem Rachedurst und seiner brennenden Wut freien Lauf.

Alte Männer, die alle Täter waren, sterben oder verschwinden. Die Morde tarnt Ludwig geschickt, so dass sie als Unfälle durchgehen. Selbst die ermittelnde Kriminalpolizistin kann dem Rätsel nicht wirklich auf den Grund gehen.

Der Roman versteht es auf Grund der Thematik schnell zu fesseln.  Man folgt den Geschehnissen in der aktuellen Zeit und verspürt keinerlei Mitleid mit den Opfern, es ist fast so, als wäre man als Leser empathielos geworden. In Rückblenden erzählt “Luggi” was damals passiert ist.

Hier ein Zitat einer Rückblende:

“Wen hätte meine Geschichte interessiert? Wer hätte mir geglaubt, obwohl ich von Gläubigen umgeben war? Ich wusste, dass wenn es dunkel wurde, der Teufel kam und kleine Kinder fraß. Nichts besonderes in Heiligsheim. … Ich hatte begriffen, worum es ging. Beim nächsten Mal machte ich keinen Mucks und sah ihm in die Augen.”

Bereits mit dem richtigen Namen des Hauptprotagonisten und dem Ortsnamen gelingt Friedrich Ani ein Meisterwerk die Bigotterie eines kleines katholischen Dorfes aufzuzeigen und wozu Dorfbewohner fähig sind.  (Heiligsheim als Dorfname und Coelestin bedeutet “Der Himmlische”)
Ich glaube selten war ein Kind weiter davon entfernt sich himmlisch zu fühlen…

Das Ende, darüber kann man sicherlich geteilter Meinung sein, aber ich fand es perfekt, denn damit schließt sich der Kreis und der Bezug zum Titel.

Fazit:

Der Roman fesselt, berührt und man erschauert bei dem Gedanken, dass ein ganzes Dorf zusieht, wie einige angesehene Herren kleine Jungen mißbrauchen.

Ludwig versucht sich durch seine Taten von seiner Schuld und von seiner Wut zu befreien, jedoch beschleicht einen mehr und mehr das Gefühl, dass das nicht funktionieren wird.

Leider gibt es Passagen, in denen Gedanken von Ludwig aufgezählt werden, die den Lesefluss etwas stören, denn sie erscheinen wie eine Aufzählung und sind für meinen Geschmack merkwürdig, was aber durchaus Rückschlüsse auf seinen Geist zulassen.

 

Ein Vergleich zu anderen Büchern kann ich nicht ziehen, denn es war mein erster Ani, aber er ist ein Meister der Tragik, der auch vor einem schweren Thema nicht zurückschreckt.

 

Von mir gibt es für dieses Buch 4 von 5 möglichen Punkten und eine Leseempfehlung.

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